Welt in Hannover


Anja Lutz | 14.07.2023

Gespräch mit Kadir Özdemir und Bela Mittelstädt von Prisma Queer Migrants e. V., den Organisatoren des Literaturfestivals, im Juni 2023.

Was macht es mit Dir, wenn Du plötzlich selbst auf einer Bühne stehst? Du erzählst eine eigene Geschichte, die Menschen hängen an Deinen Lippen, nehmen Dich als Künstler*in wahr?

Genau diese Erfahrung will das Literaturfestival collecting: dreams . voices . Stories (cdf23) Menschen ermöglichen, die sich bisher wenig selbst als Kunstschaffende sehen. Das Festival findet vom 08. – 10. September 2023 in Hannover statt und richtet sich an People of Color, Menschen aus migrantischen und postmigrantischen Kontexten sowie mit Migrationserbe. Es geht also um Menschen, die Kinder von Einwanderern sind und die, wie Kadir erklärt, alle Diskussionen, Gedanken, auch gesellschaftliche Kämpfe, welche die Elterngeneration geführt hat, auf bestimmte Weise erben. „Wir stehen auf den Schultern unserer Eltern“, wie Kadir erläutert.

Solche Menschen sehen sich oft selbst nicht als Künstlerin oder Künstler an, auch wenn sie jeden Tag Texte schreiben oder sich auf andere Weise über ihr Leben, ihre Wahrnehmungen und Wünsche äußern. Häufig denken sie, dass nur jemand von außen ihnen den Titel Künstler*in verleihen kann.

Dabei wurde im Gespräch deutlich, dass es vor allem jungen Menschen aus (post-)migrantischen Kontexten sehr hilft, wenn sie erkennen, dass sie mit Ihrer Wahrnehmung, ihren Gedanken und Gefühlen nicht allein sind. Dass es noch andere Leute gibt, die sich in ähnlicher Situation befinden und ähnliche Erfahrungen machen.

Das Literaturfestival collecting: dreams . voices . Stories (cdf23) bietet eine Offene Bühne für Oral History, also für die mündliche Erzähltradition. Es geht darum, dass es für viele Menschen oft einfacher ist, etwas zu erzählen, von etwas zu berichten. Es geht darum, in den „stories“ die Überschneidung von „privaten“ Geschichten und Lebensläufen mit institutionellen, strukturellen und gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen sichtbar und erlebbar zu machen.

Es wird bei dem dreitägigen Festival verschiedene Formate wie Lesungen, Poetry Slams, Biographisches Erzählen, Performances, sowie Workshops für kreatives Schreiben geben.

Bei den Offenen Bühnen des Festivals werden zunächst ein oder zwei Vertreter*innen der postmig writers Hannover die Zuschauer*innen begrüßen und eine eigene Geschichte erzählen, um den Besucher*innen die Scheu zu nehmen und ihnen ein inhaltliches Beispiel zu geben.

Die Beiträge können in der Sprache erzählt werden, die „gerade heraus will“. Das kann Deutsch, Englisch, Arabisch oder eine ganz andere Sprache sein. Es gibt keine Vorgabe, die Menschen treten vielleicht als Duo auf (z. B. eine Dichterin oder ein Dichter mit einer Übersetzerin oder einem Übersetzer).

Die Veranstalter*innen des Festivals haben die Idee, dass die erzählten Stories in einer Anthologie gesammelt und herausgebracht werden könnten.

Literaturtipps zum Thema des Festivals

Kadir und Bela gaben viele Literatur-Tipps und Hinweise auf Autor*innen, die es zu entdecken gilt: Kübra Gümüsay, Autorin von „Sprache & Sein“, hat ihre Teilnahme zugesagt.

Weitere Lesetipps sind: Hadija Haruna-Oelker „Die Schönheit der Differenz“, die Jugendbücher von Moira Frank „Nachtschwärmer“, „Sturmflimmern“ und Texte von Türkân Deniz-Roggenbuck und Leyla Ercan und den Instagram Kanal von Sara Zorlu (@sarasinorum.myza)

Das Literaturfestival „Collecting Dreams: Voices: Stories“ wird in den Räumen von “Unter einem Dach” in Hainholz stattfinden. Dieser Stadtteil ist von Migration geprägt und wurde bisher wenig als Kulturraum wahrgenommen.

Die Tickets kosten zwischen 10,- und 30,- €. Die Bestellerin oder Besteller entscheidet selbst, was sie oder er zahlen kann und möchte. Und ganz wichtig: für Menschen, für die alle Beträge eine Hürde sind, wird es wird kostenlose Tickets an der Abendkasse geben.

Alle Informationen zu den Veranstalter*innen, zum Ablauf und den Förder*innen und Tickets findet Ihr auf der Website des Festivals www.collectingdreamsfestival.de

Foto: Prisma Queer Migrants e. V.

Link zum Original (zuletzt abgerufen am 04.08.2023)