(ergänzend zu unserem ersten Instagram-Post vom 14. September 2025)
1. Am 11. September 2025 wurde ein Artikel auf der antimuslimisch-rassistischen Plattform mena-watch.org veröffentlicht, der nahezu alle beteiligten Künstler*innen des collecting:dreams Festivals 2025 diffamiert. Auf der Plattform publizieren regelmäßig rechtsextreme Aktivist*innen wie Amit Barak, Mitbegründer der rechtsextremen israelischen Bewegung „Im Tirtzu“, oder Autor*innen wie Stefan Frank des rechten Blogs „Die Achse des Guten“. Dieser Artikel wurde gezielt unseren Fördermittelgebern zugesandt. Die Stadt Hannover hat die Anschuldigungen, scheinbar ohne kritische Prüfung, übernommen und uns am Tag der Festivaleröffnung eine Frist von wenigen Stunden gegeben, um zwei Künstler*innen auszuladen. Da wir der Aufforderung nicht nachkamen, wurde uns am Tag der Festivaleröffnung die volle Fördersumme in Höhe von 10.000€ gestrichen.
2. Schon zuvor hatte uns das Kulturzentrum Pavillon die Räume entzogen, weil wir Eingriffen in unser Programm nicht zugestimmt haben. Sowohl der Pavillon als auch die Stadt Hannover bezogen sich dabei insbesondere auf Hebh Jamal. Die Aktivistin hat 2023 ein Video veröffentlicht, über deren Inhalte nur in rechten Medien berichtet wird. Die Aussagen, die ihr zugeschrieben werden, heißen wir nicht gut. Hebh Jamal hat das Video gelöscht und eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie sich von jeglicher Form von Terrorismus und Menschenfeindlichkeit unabhängig von religiöser Zugehörigkeit distanziert. Wir haben die Anschuldigungen sehr ernst genommen und haben ihre Beiträge in der Zeit nach ihrer Stellungnahme ausführlich geprüft. Wir kamen zu der Schlussfolgerung, dass ihre Erklärung glaubhaft ist. Rassismus, Antisemitismus, Queer- und Transfeindlichkeit sowie alle anderen gruppenbezogenen Abwertungsideologien sind für uns rote Linien.
3. Wer vom öffentlichen Diskurs ausgeschlossen wird und wer nicht, wird innerhalb rassistischer Systeme und Dominanzverhältnisse entschieden. Wir als Festival hinterfragen diese Dominanzverhältnisse und wissen, dass pro-palästinensische Stimmen im deutschen Kulturbetrieb häufig angefeindet werden. Falsche Anschuldigungen und Diffamierungen wie „Hamas-Unterstützerin“ werden gezielt als Reizwörter eingesetzt, um Diskurse zu verhindern – so auch in diesem Fall. Hebh Jamal war für einen Empowerment-Workshop für migrantisierte Frauen* eingeladen und die einzige sichtbare Muslimin im Programm. Sie ist persönlich stark vom Krieg in Gaza betroffen und hat fünfzig Familienangehörige, u.a. den Bruder ihres Ehemannes, verloren. Unter all diesen Umständen gerade sie auszuladen, halten wir weiterhin für nicht angemessen. Der deutsche Diskurs braucht dringend Räume, in der betroffene Menschen zu Wort kommen können, ohne gleich den Antisemitismus-Vorwurf bekommen zu müssen, wenn sie über palästinensisches Leid reden.
4. Neben Hebh Jamal hat die Stadt Hannover auch die Ausladung einer 23-jährigen Künstlerin verlangt, mit der Begründung, sie wäre bei Antragsstellung nicht im Programm erwähnt gewesen. Bei einem dreitägigen Festival mit zahlreichen Programmpunkten kommt es im Planungsprozess zwangsläufig zu Zu-/Absagen, Krankheitsfällen und Neubesetzungen. Auf dem #cdf25 haben mehrere bildende Künstler*innen ihre Arbeiten ausgestellt, die zum Zeitpunkt der Antragstellung ebenfalls nicht erwähnt wurden. Deren Ausladung wurde nicht gefordert. Die Stadt Hannover hat also ausschließlich Programmpunkte mit palästinensischem Bezug zur Grundlage ihrer Förderabsage gemacht.
5. Wir wollen kein Teil dieser um sich greifenden Ausgrenzung von kritischen (palästinensischen) Stimmen sein. Gerade das Fallenlassen eines dreitägigen queeren und postmigrantischen Festivals mit etlichen Programmpunkten zeigt, wie groß der Druck ist auf palästinensische Stimmen und jenen, die sich für Dialog- und Begegnungsräume einsetzen.
6. Wir haben das collecting:dreams Festival 2025 trotz aller Widrigkeiten auf die Beine gestellt – auf volles finanzielles Risiko. Diese Erfahrung hat uns einerseits gestärkt, andererseits hat sie uns an psychische und physische Belastungsgrenzen gebracht. Die ungerechtfertigten Anschuldigungen und die finanzielle Bedrohung haben tiefe Spuren hinterlassen. Nur durch eine Spendenkampagne war es möglich, die finanziellen Belastungen größtenteils auszugleichen. Die Stadt Hannover ist durch ihr Verhalten auch mitverantwortlich dafür, dass wir seitdem verstärkt Anfeindungen erhalten und auch unsere persönliche Sicherheit während der Veranstaltung infrage stand. Als queere BiPoC waren einzelne Teammitglieder bereits im Fadenkreuz der Identitären Niedersachsen. Eine Sensibilität für die besondere Positionierung der Organisator*innen, der beteiligten Künstler*innen und des Publikums fehlte seitens der Stadt Hannover komplett.
7. Wir sind das einzige queere, postmigrantische Literaturfestival in Norddeutschland. Wir verlangen einen respektvollen, machtkritischen Umgang mit uns. Das Kulturbüro Hannover und die Stadt Hannover haben sich von einer rechten Diffamierungskampagne, die sich zum größten Teil auf eine einzige polemische Seite stützt, soweit treiben lassen, dass sie am Tag der Festivaleröffnung unsere gesamten Fördermittel gestrichen haben. Die gewählte Art der Kommunikation mit einem Ultimatum von wenigen Stunden zeugt nicht von einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Wir fordern eine öffentliche Auseinandersetzung mit diesen Machtverhältnissen und einen strukturellen Wandel im Umgang mit marginalisierten Kulturschaffenden.
8. Wir nehmen den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Queer- und Transfeindlichkeit und alle andere Formen von Diskriminierung sehr ernst. Wir erwarten die gleiche Ernsthaftigkeit und Auseinandersetzung von der Stadt Hannover und all unseren Förder*innen. Dass wir mittlerweile die gesamte Fördersumme der Stadt durch unsere Community gegenfinanziert bekommen haben ist für uns ein unglaubliches Zeichen, dass die Stadtgesellschaft die Vision von collecting:dreams teilt und gleichzeitig über die Entscheidung der Stadt Hannover entsetzt ist. Wir sind dankbar für die vielen positiven Reaktionen und die vielen Solidaritätsbekundungen, die wir aus der Zivilgesellschaft, von Künstler*innen, von Privatpersonen, Parteien und Organisationen erhalten.
collecting:dreams setzt seit dem ersten Jahr ein Zeichen für eine solidarische Welt und gegen jede Ausgrenzung. Wir schaffen Räume für notwendige Debatten, halten zusammen gegen Rechtsruck und Ausgrenzungen. Auch in Zukunft wird sich daran nichts ändern. Wir alle sind dazu aufgerufen, hinzuschauen, wenn es notwendig ist – uns für Dialogräume einzusetzen und Haltung zu zeigen, auch dann, wenn es nicht bequem ist.
Das collecting:dreams-Festivalteam
Unser ausführliches Statement als PDF findet sich hier


